Prüfstände im Wandel: Wie KI Kosten senkt und Sicherheit erhöht
Test- und Prüfstände simulieren Extrembedingungen, decken Fehler auf, ermöglichen Marktzugänge. Heute gepaart mit Echtzeitsimulationen. Ein Laborbericht.
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Für Kay Schmidt-Rethmeier sind der konkrete Aufbau eines Teststandes und die Durchführung eines Tests „klassisches Ingenieurhandwerk. Wenn zum Beispiel klar ist, dass wir 5 min lang 600.000 V anlegen sollen, schließen wir den Trafo an, starten die Uhr und sehen, ob das Bauteil hält“, beschreibt der Professor für Hochspannungstechnik der Fachhochschule Kiel seinen Laboralltag.
Um zuverlässige Produkte zu erhalten, müssen die Hersteller ins Prüflabor. Wie im Entwicklungsprozess hat dort die Digitalisierung bis hin zur künstlichen Intelligenz (KI) längst Einzug gehalten – mit Einschränkungen. „Simulationen und digitale Zwillinge statt Tests nutzen wir im Vorfeld, um Designentscheidungen zu validieren. Aber am Ende braucht es die physische Prüfung“, weiß Kay Kruse, Werksleiter des Transformatorenwerks Brilon von Hitachi Energy.
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Effiziente Prüfstände sind ohne Virtualisierung und KI nicht mehr denkbar
„Wir nutzen die KI typischerweise bei der Detektion von Veränderungen im Systemverhalten“, so Marc Wallmichrath, Abteilungsleiter Baugruppen und Systeme am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF). Die KI erkenne zum Beispiel, wenn sich eine Degeneration entweder im Prüfling oder im Prüfstand ergebe. Hinzu kommt, das wird im Gespräch von Martin Ciupek mit Wallmichrath deutlich, dass bei der Planung eines Prüfstands der Kostendruck im Fokus steht. Automatisierung und Softwareeinsatz bis hin zu KI können auch hier ihren Einsatz leisten.
Auch auf der Suche nach den besten Prüfständen im Mobilitätssektor ist an allen Ecken und Enden das Zusammenspiel von Hard- und Software ausschlaggebend. Für die Ergebnisse und die Kosten, wie unser Autor Peter Weissenberg recherchiert hat.
Physische Tests komplett virtualisieren?
Komplett virtuelle Tests – damit rechnet Michael Baumann nicht. Der Maschinenbauingenieur ist CEO von Twaice; er erforscht dort Batteriealterung mit datengetriebenen Methoden: „Ganz so wird es nicht kommen, weil man gewisse physikalische Tests immer braucht und sie auch zur Absicherung heranziehen kann.“ Die Tests, die sein Unternehmen zusammen mit den Kunden durchführt, können prinzipiell auf verschiedenen Ebenen ablaufen, bis hinunter auf Materiallevel. Typischerweise laufen sie auf Zell- oder Modulebene ab, es werden aber auch ganze Batteriesysteme getestet, zum Beispiel für Elektrofahrzeuge.
Für Alterungstest gilt es zum Beispiel eine definierte Testumgebung sicherstellen, etwa im Sinne von Temperatur oder Luftfeuchtigkeit. Dafür verwendet man typischerweise Klima- oder Umgebungskammern, in die der Prüfling hineinkommt. Typischerweise wird der reale Anwendungsfall nachgestellt; es gibt Kalt-Landtests, die hinunter gehen bis -30° C, oder Heiß-Landtests, die Temperaturen von bis zu + 60 ° C erreichen. In der Kammer wird dann ein gewisser Strom- und Spannungsverlauf auf den Prüfling aufgeprägt.
In der Energietechnik steht Sicherheit ganz obenan. Komponenten wie Batterien und Transformatoren umfassend zu testen ist zwingend, aber selten spektakulär. Was dabei wichtig ist, lesen Sie im Beitrag „Tests: Wie Sicherheit in Energienetzen und bei Batterien entsteht“.
Jede Zellchemie hat unterschiedliche Charakteristika in puncto elektrisches, thermisches und Alterungsverhalten. Man muss diese Charakteristika kennen, um zu wissen: Was wird getestet und welche Datenmodelle sind nötig, um einen Teil der Tests zu simulieren. Unternehmen wie Twaice nutzen derartige Modelle, um Alterungstests zu beschleunigen und dennoch zu aussagefähigen Ergebnissen zu kommen.
Grundlegend dabei sind physikalische Gesetzmäßigkeiten, so folgt die Temperaturabhängigkeit der Alterung dem Arrhenius-Gesetz. Auf dieser Basis lassen sich die realen Testpunkte reduzieren. Twaice zum Beispiel setzt zwischen wenigen physisch ermittelten Datenpunkten dann virtuelle und berechnet den Verlauf zwischen ihnen auf Basis physikalischer Gesetzmäßigkeit und eines digitalen Zwillings der Batterie. Völlig ersetzen lassen sich aber die physischen Messpunkte in diesen aufwendigen Alterungstest noch nicht.

Digitalisierung ist wichtig für die Sicherheit an Prüfständen
Ohne Digitalisierung wären die hohen Sicherheitsanforderungen im Betrieb von Prüfständen nicht machbar. Was früher möglich und nötig schien, lässt sich heute nicht mehr unbedingt realisieren, macht Ferhat Akyildiz, Prüfstandsleiter bei Hitachi Energy im Werk in Brilon deutlich. „Sicherheit hat bei Arbeiten im Prüffeld oberste Priorität. Früher hat man noch mit offener Tür geprüft, um bei manchen Tests Geräusche wahrnehmen zu können. Zum Beispiel bei einer Bindungsprüfung: Da prüfen wir mit doppelter oder dreifacher Frequenz. Dann schreit wirklich der Transformatorkern, wenn man den betreibt. Das hat man sich angehört, um ein Gefühl zu bekommen, ob alles in Ordnung ist. Das ist jetzt verloren gegangen, weil alles aus Sicherheitsgründen abgeriegelt ist.“
Konkret darf während einer Prüfung niemand im Prüffeld sein; auch keine Gegenstände, die da nicht hingehören. Längst hat digital angebundene Sensorik daher hier ihren Platz, um diese Sicherheit zu gewährleisten. Aber nicht jede branchenübliche Lösung passt dann für den konkreten Prüfstand, wie Akyildiz weiß. „Bei uns hat sich herausgestellt, dass klassische Lasersensoren dafür nicht praktikabel sind, weil unsere Verkabelung je nach Aufbau ständig variiert.“ Stattdessen setzt Hitachi Energy im Prüfstand in Brilon auf Radarsensoren. Dann kann ein Kabel, was im Prüffeld herumliegt, ruhig da liegen bleiben. „Hauptsache, es bewegt sich nicht“, so der Prüffeldleiter. Die Lösung sei eine Eigenentwicklung mit Partnern, inzwischen ein Serienprodukt, das Hitachi Energy konzernweiter als Standard im Energiebereich nutze.