Seemacht im Kalten Krieg 16. Feb 2022 Von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 3 Minuten

Als die Rote Flotte im Schwarzen Meer auf Kollisionskurs ging

Im Februar 1988 rammten vor der Krim sowjetische Fregatten zwei US-Kriegsschiffe. Doch am Ende des Kalten Krieges ging der Zwischenfall glimpflich aus.

Die sowjetische Fregatte Bessawetni (r.) beim Rammstoß gegen den US-Kreuzer Yorktown. Die Rohre auf dem Deck der Bessawetni sind Startbehälter für Lenkflugkörper.
Foto: US Navy/public domain

Mehr als 30 Kriegsschiffe der russischen Marine üben derzeit im Schwarzen Meer die U-Boot-Jagd. Die Schwarzmeerflotte hat dafür große Gebiete vor der ukrainischen Küste für den internationalen Verkehr gesperrt, da dort Lenkwaffen eingesetzt werden sollen. Da lohnt sich ein Blick um mehr als drei Jahrzehnte zurück, als die Rote Flotte der Sowjetunion und die US Navy vor der Krim buchstäblich aufeinanderprallten. Am 12. Februar 1988 rammten zwei sowjetische Fregatten zwei US-Kriegsschiffe rund zwölf Seemeilen vor der ukrainischen Küste, die damals noch zur Sowjetunion gehörte.

In den Jahren zuvor hatte die US-Regierung regelmäßig Kriegsschiffe ins Schwarze Meer geschickt, um dort Flagge zu zeigen und das „Recht der friedlichen Durchfahrt“ wahrzunehmen. Diese völkerrechtliche Regelung erlaubt fremden Kriegsschiffen das Befahren der Küstengewässer fremder Staaten, solange bestimmte Regeln eingehalten werden. Dazu gehört, sich an die vom betroffenen Staat festgelegten Schifffahrtsrouten zu halten. Diese Routen hatte die Sowjetunion aber im Schwarzen Meer nicht festgelegt, und die USA erkannten diese Regel nicht an.

Sowjetische Führung beschließt Rammstöße

Nach mehreren Konfrontationen zwischen Schiffen der Roten Flotte und der US-Navy hatte die sowjetische Führung in einer Sitzung, an der auch Regierungschef Gorbatschow teilnahm, entschieden, amerikanische Schiffe auch durch Rammangriffe aus den eigenen Hoheitsgewässern zu vertreiben.

Am 12. Februar 1988 war es dann so weit. Der Kreuzer USS Yorktown und der Zerstörer USS Caron waren unter der Küste der Krim unterwegs, beschattet von sowjetischen Kriegsschiffen. Diese drohten über Funk mit Rammangriffen, sollten die US-Schiffe nicht die sowjetischen Gewässer verlassen. Dass der Kurs von Yorktown und Caron nicht nur das „Recht der friedlichen Durchfahrt“ demonstrieren sollte, verriet ihren sowjetischen Beschattern schon der Blick auf die Masten der beiden US-Schiffe. Ganz offensichtlich waren sie mit zusätzlichen Geräten zur elektronischen Aufklärung ausgestattet.

Mit der rechten Rumpfseite die USS Yorktown gerammt

Als sich die Caron auf 12 km dem Festland genähert hatte, setzte die leichte Fregatte SKR-6 um 10 Uhr zum Rammstoß an. Nur eine Minute später lief die Fregatte Bessawetni auf die gleiche Höhe wie die Yorktown auf, um dann mit ihrer rechten Rumpfseite den US-Kreuzer zu rammen. Offensichtlich hatte das sowjetische Schiff ein Manöver versucht, das in der US Navy als „Shouldering“ geübt wurde und der Marinehistoriker David F. Winkler so beschrieb: „Du versuchst, deinen Bug vor ihrem Bug zu halten und verhinderst so, dass sie auf dich zudrehen. Wenn sie es trotzdem tun, haben sie halt Pech gehabt.“

Mit dem Bug schrammt die sowjetische Fregatte SKR-6 nach ihrem Rammstoß am Heck der USS Caron entlang. Bis auf Schrammen an der Bordwand blieb die Caron unbeschädigt. Foto: US Navy/public domain.

Das Kräftemessen ging für beide glimpflich aus. Das war umso wichtiger, als zumindest die beiden US-Schiffe mit Sicherheit mit Nuklearwaffen ausgestattet waren. Der Schaden an der Caron beschränkte sich auf Schrammen am Anstrich, die Bessawetni verlor einen Anker. Ernster waren die Folgen für die Yorktown, auf deren Deck zwei Startbehälter für Marschflugkörper beschädigt worden waren. Die Kapitäne der US-Schiffe zeigten sich unbeeindruckt von dem Angriff und behielten ihren Kurs bei, bis sie nach zwei Stunden die sowjetischen Gewässer verließen.

Neue Regeln sollten Rammangriffe verhindern

Was im Schwarzen Meer auf dem Spiel gestanden hatte, formulierte wenige Wochen nach der Konfrontation der ehemalige US-Admiral Eugene Carroll: „Es macht keinen guten Eindruck, öffentlich zu erklären, dass die USA die Beziehungen zur Sowjetunion verbessern wollen, während sie die verantwortlichen Schiffe mit Atombewaffnung losschicken, um gefährliche Konfrontationen zu provozieren.“ Doch zum Zeitpunkt des Zwischenfalls war längst Tauwetter im Kalten Krieg ausgebrochen, keine der beiden Seiten hatte Interesse an einer Eskalation.

Vielmehr vereinbarten die Sowjetunion und die USA einige Regeln, um gefährliche Manöver auf hoher See zu vermeiden. Kurze Zeit später erwiesen sie sich als obsolet: Nach dem Fall der Mauer löste sich die Sowjetunion auf, Russland stürzte in eine schwere wirtschaftliche Krise und die Reste der einst stolzen Roten Flotte verrotteten in den Häfen. Doch die Ukrainekrise hat Besorgnisse über neue Konfrontationen im Schwarzen Meer geweckt.

Zum Jahrestag der Rammangriffe im vergangen Jahr hatte Lyle Goldstein vom US Naval War College gewarnt: „Die Spannungen im Schwarzen Meer sind wieder auf einem sehr hohen Niveau. Wenn die Ukraine die Krim beansprucht und wir den Anspruch Russlands auf die Krim bestreiten, dann wird es eine haarige rechtliche Angelegenheit, ob wir die Gewässer vor der Krim als russisches Hoheitsgebiet betrachten.“

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