Technikhistorikerin Heike Weber im Videopodcast 05. Aug 2020 Von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 2 Minuten

Warum Ingenieure sich mit Geschichte beschäftigen sollten

Wer Ingenieurwissenschaften studiert hat, tat dies, um Neues schaffen. Warum er oder sie sich trotzdem mit Geschichte beschäftigen sollte, erklärt Heike Weber von der TU Berlin im Videopodcast von VDI nachrichten.

Einen „one best way“, den Ingenieure typischerweise suchen, gibt es in der Wirklichkeit nicht, sagt Heike Weber, Professorin für Technikgeschichte an der Technischen Universität Berlin und Vorsitzende des VDI-Ausschusses Technikgeschichte.
Foto: TU Berlin

„Wer Technik schaffen und durchsetzen will, muss verstehen, wie sie von der Gesellschaft aufgefasst wird“, erklärt Weber. Sie ist seit dem vergangenen Jahr Professorin für Technikgeschichte an der Technischen Universität Berlin und Vorsitzende des Ausschusses Technikgeschichte im VDI.

Einen „one best way“, den Ingenieure typischerweise suchten, gibt es Weber zufolge in der Wirklichkeit eben nicht, das zeige der Blick in die Geschichtsbücher. Häufig setze sich der technisch beste Weg nicht durch, weil andere Faktoren ebenfalls wichtig seien – etwa die Gesellschaft, die Kultur, Mentalitäten und sogenannte Pfadabhängigkeiten, wegen denen Entscheidungen stets von ihrer Vorgeschichte und beteiligten Institutionen abhängig sind. Durch diese kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Einflüsse komme am Ende sehr häufig etwas anderes heraus, als es sich die Ingenieure bei ihrer Erfindung ursprünglich vorgestellt hätten.

Die Akzeptanz von Technik ändert sich im Zeitablauf. Darauf macht die Historikerin Heike Weber von der TU Berlin aufmerksam. Der Wasserwerfer im Haus der Geschichte in Bonn erinnert daran, wie die Begeisterung für Atomkraft in den 1950er-Jahren in teilweise gewaltsamen Protest in den 1970er- und 1980er-Jahren umschlug. Foto: Steinmüller

Heike Weber: Telearbeit wurde als „elektronische Heimarbeit“ geschmäht

Häufig genug verändert sich die Akzeptanz von Technik im Laufe der Zeit, wie sich am Beispiel der Telearbeit zeigen lässt. Ursprünglich sollte sie den Verkehr reduzieren und Frauen die Teilnahme am Arbeitsleben erleichtern. In der politischen Diskussion wurde Telearbeit jedoch als „elektronische Heimarbeit“ für niedrig qualifizierte Frauen geschmäht. „Telearbeit ist nicht an der Technik gescheitert, sondern an mangelndem Willen, in diese Technik zu investieren, besonders aus Mentalitätsgründen“, sagt Weber. Denn viele Arbeitgeber fühlten sich unwohl bei dem Gedanken, ihre Mitarbeiter könnten nicht mehr vor Ort sein. Der Durchbruch kam erst nach der Jahrtausendwende, als dank des New-Economy-Booms schnelle Datenleitungen verfügbar waren und das Homeoffice als Beitrag zur Work-Life-Balance gefeiert wurde. Der Blick in die Vergangenheit lehrt Weber zufolge erst, welche vielfältigen Möglichkeiten es für die Anwendung neuer Technologien gibt.

Conrad-Matschoß-Preis des VDI wird in zwei Kategorien vergeben

Als Vorsitzende des Ausschusses Technikgeschichte ist Weber auch Juryvorsitzende des Conrad-Matschoß-Preises. Der Preis zielt darauf, die historische Analyse und Darstellung von Technik, Industrie und Ingenieurwesen zu fördern, deren historische Entwicklung im Kontext von Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt zu verstehen und solche technikhistorischen Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zu erschließen.

Der Preis prämiert mit je 2000 € Preisgeld zwei Ausrichtungen: die populärwissenschaftliche Vermittlung von Technikgeschichte sowie die fachwissenschaftliche Erarbeitung neuer Erkenntnisse. Bewerben können sich Personen von Hochschulen, Museen und aus der Denkmalpflege ebenso wie aus dem Journalismus und dem Ingenieurwesen. Die Frist für Vorschläge und Eigenbewerbungen endet am 15. 9. 2020.

Die Preisvergabe und Ehrung findet während der Technikgeschichtlichen Tagung des VDI im Februar 2021 in Berlin statt.

Mehr zum Conrad-Matschoß-Preis erfahren Sie hier:

www.vdi.de/netzwerke-aktivitaeten/technikgeschichte

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