Zweiter Weltkrieg 20. Apr 2023 Von Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 4 Minuten

Warum Kriegsverbrechen der Luftwaffe so lange verschwiegen wurden

Die deutsche Luftwaffe war stärker in Kriegsverbrechen verwickelt als zumeist angenommen, sagt der Historiker Stephan Lehnstaedt. Dazu habe wesentlich der Heldenkult um die Jagdflieger beigetragen.

Die zerstörte Innenstadt von Guernica nach der Bombardierung durch deutsche und italienische Flugzeuge. Der Angriff gilt als einer der ersten flächendeckenden Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung.
Foto: Getty Images/Bettmann

VDI nachrichten: Wie erklärt sich der Widerspruch zwischen der öffentlichen wahrgenommenen und der tatsächlichen Rolle der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg?

Lehnstaedt: Die Grundlagen für den Widerspruch zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit wurden schon während des Krieges gelegt. Nach außen bestand die Luftwaffe in erster Linie aus Jagdfliegern. Und das waren eben aus damaliger Sicht die Helden, die die deutsche Zivilbevölkerung vor den Bombenangriffen der Alliierten schützten. Dazu kommt, dass die Luftwaffe zahlenmäßig der kleinste Teil innerhalb der Wehrmacht war. Die Einsätze der Erdkampfdivisionen der Luftwaffe wurden vielleicht auch eher den Truppen des Heeres zugeordnet. Aber unter Wissenschaftlern ist es schon seit Langem klar und auch nachgewiesen, dass die Luftwaffe wie die übrige Wehrmacht an Kriegsverbrechen beteiligt war. Dennoch werden die Aktivitäten der Luftwaffe bis heute vor allem auf die Luftschlacht um England reduziert

Die Luftwaffe beteiligte sich an Menschenversuchen in Konzentrationslagern

Was genau wird der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg zur Last gelegt?

Es ist die ganze Bandbreite der Verbrechen während des Krieges auf deutscher Seite. Sie hat gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung unternommen. Die Erdkampfverbände der Luftwaffe und die Fallschirmjäger-Truppen der Luftwaffe waren überall in Europa an Massakern an der Zivilbevölkerung beteiligt. In den Konzentrationslagern ließ die Luftwaffe Menschenversuche an den Insassen vornehmen.

Warum die Zwangsarbeit in der NS-Arbeit so spät aufgearbeitet wurde

Und in der Rüstungsindustrie wurden beispielsweise beim Bau der Raketenwaffen V1 und V2 Zwangsarbeiter unter furchtbaren Umständen eingesetzt. Man muss davon ausgehen, dass mehr Zwangsarbeiter beim Bau dieser sogenannten Vergeltungswaffen getötet wurden als bei den Angriffen auf die Zivilbevölkerung beispielsweise in London.

Beim Bau des Marschflugkörpers V1 starben Zehntausende von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Der Nachbau auf dem Foto steht im Imperial War Museum in Duxford. Foto: Steinmüller

Hat sich die Rolle der Luftwaffe im Verlauf des Krieges verändert?

Die Luftwaffe hat schon zu Anfang des Krieges Verbrechen begangen. Ein Beispiel ist die Bombardierung des kleinen polnischen Ortes Wielun am 1. September 1939, der unter militärischen Gesichtspunkten unbedeutend war. Dort starben Schätzungen zufolge 300 bis 1200 Zivilisten. Es war das erste nachweisliche deutsche Kriegsverbrechen. Allein in den ersten Kriegswochen gab es rund 150 weitere Angriffe dieser Art; auch das erste Flächenbombardement des Zweiten Weltkrieges, der Angriff auf Warschau, ging auf das Konto der Luftwaffe. Und nicht zu vergessen: Bereits 1937 war die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg mit der Zerstörung der Stadt Guernica maßgeblich an einem Kriegsverbrechen beteiligt. Letztlich spielte die Luftwaffe mit ihrem Oberkommandierenden Hermann Göring eine zentrale Rolle im Machtgeflecht des Naziregimes.

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