Bewaffnung, Panzerung, Kanone: Was der Nachfolger des Leopard 2 können muss
Der Panzerexperte Rolf Hilmes nennt die wichtigsten Anforderungen an den künftigen Kampfpanzer der Bundeswehr, zieht Lehren aus dem Ukrainekrieg und erklärt, warum Panzerbesatzungen aus Wehrpflichtigen keine gute Idee mehr sind.

Foto: Bundeswehr/ Michael Mandt
Wie schlägt sich der Leopard 2 gegen den T-14 Armata?
VDI nachrichten: Herr Hilmes, die Ablösung des Leopard 2 als Kampfpanzer der Bundeswehr ist in gut zehn Jahren vorgesehen. Wie wirkungsvoll kann sich der Leopard 2 bis dahin noch schlagen?
Rolf Hilmes: Eines vorweg: Ich rechne mit einem neuen Kampfpanzer für die Bundeswehr eher in 20 als in zehn Jahren. Aber zu Ihrer Frage: Der Kampfwert eines Panzers beruht – neben den vom Konzept her bestimmten Eigenschaften – auf den Komponenten des Gesamtsystems. Da kann der Leopard 2 mit dessen Eignung für Nachrüstungen punkten. Das betrifft den Einbau aktiver Schutzsysteme, die Verwendung leistungsstärkerer Munition, aber auch Elektroniksysteme wie leistungsfähigere Wärmebildkameras. Auch aus dem Triebwerk lässt sich noch ein bisschen mehr Leistung herauskitzeln. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass der Leopard noch eine ganze Weile bestehen kann. Neu ist die Gefahr durch massiven Einsatz von Drohnen, wie sie sich im Konflikt um Bergkarabach vor zwei Jahren und aktuell im Ukrainekrieg zeigt. Wenn sich die Armeen nicht auf diese Bedrohung einstellen, werden Kampfpanzer in Zukunft grundsätzlich hohe Verluste erleiden.
Die Drohnenabwehr wäre Aufgabe der Heeresflugabwehr, die allerdings 2010 abgeschafft wurde.
Jein. Der damals eingesetzte Flugabwehrpanzer Gepard ist dafür nur bedingt geeignet, auch weil die Drohnen mit ihrem geringen Radarecho von ihm nur schwer erfasst werden können. Gegen Drohnen gibt es neuartige Systeme zur Drohnenaufklärung und -abwehr, die organisch als Wirkverbund den Kampfpanzer ständig begleiten müssen.

Am Boden droht dem Leopard Gefahr durch den vor wenigen Jahren vorgestellten russischen Kampfpanzer T-14 Armata. Wie schätzen Sie den neuen russischen Kampfpanzer ein?
Grundsätzlich ist es natürlich ein bisschen unfair, einen Kampfpanzer der nächsten Generation mit einem älteren Fahrzeug zu vergleichen. Der Armata folgt einem anderen Konzept als die bisherigen Kampfpanzer. Der Leopard ist ein Turmpanzer, bei dem drei Besatzungsmitglieder ihren Arbeitsplatz im Turm haben. Das macht den Turm groß und schwer. Beim Armata ist die Kanone in einer außen liegenden Lafette montiert, alle Besatzungsmitglieder sitzen gut geschützt in der Wanne und steuern das Geschütz fern. Das erlaubt die Realisierung eines kompakten Kampfraumes hinter einer starken Frontpanzerung. Den Nachteil sehe ich in der hohen Automatisierung. Die Besatzung muss sich auf die Bilder auf den Monitoren verlassen, da die Bildqualität nie so hoch wie bei einem optischen Gerät mit Direkteinblick ist. Und noch etwas: Panzersoldaten lieben den Notbetrieb. Wenn beim Leopard das Bordnetz ausfällt, kann die Besatzung immer noch im Handbetrieb zielen, den Turm drehen und die Hauptwaffe abfeuern. Beim Armata fehlen diese Möglichkeiten.
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Sie waren bei der Bundeswehr Panzeroffizier. Gesetzt den Fall, Sie stehen mit ihrem Zug aus drei oder vier Leopard genauso vielen Armata gegenüber. Wie reagieren Sie?
Die Oberlafette des Armata enthält alle wichtigen Elemente wie Ladeautomat, Munition und Optiken. Diese sind sehr exponiert angebracht und mit vermutlich maximal 80 mm Panzerung schwach geschützt. Auf 4000 m oder 5000 m Entfernung kann die Leopard-Munition zwar nicht die Frontpanzerung des Armata durchschlagen. Aber sie kann die Oberlafette problemlos zerstören, worauf das Fahrzeug nicht mehr schießen kann und die Besatzung die Mission abbrechen muss. Insofern hat der Leopard auch gegen den Armata eine gute Bekämpfungschance.

Welche Lehren für Kampfpanzer gibt es aus dem Ukrainekrieg?
Gibt es Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg, die in die Entwicklung des Leopard-Nachfolgers einfließen sollten?
Nein, da komme ich zu keinen neuen Schlussfolgerungen. In der Ukraine kämpft eine personell und materiell unterlegene Partei gegen einen weit überlegenen Gegner. Als Konsequenz geht die unterlegene Partei überwiegend zum Partisanenkampf über. Die ukrainischen Einheiten kämpfen aus dem Hinterhalt, meiden offene Konfrontationen. Deshalb gibt es keine großen Panzergefechte. Während die russischen Einheiten wichtige Prinzipien des Gefechtes der verbundenen Waffen (den kombinierten Einsatz von Panzergrenadieren, Panzern, Artillerie etc., Anm. d. Red.) vernachlässigen, zeichnen sich die ukrainischen Einheiten durch taktische Flexibilität und schnelles Reaktionsvermögen aus. Und schließlich finden die Kämpfe in einem für Panzer ungünstigen Gelände statt. Hier können die ukrainischen Streitkräfte ihre Panzerabwehrwaffen besonders wirksam einsetzen.
Das war die taktische Perspektive. Wie sieht es unter technischen Gesichtspunkten aus?
Die Bilder und Videos aus der Ukraine zeigen die hohe Verwundbarkeit der russischen Kampfpanzer, die auch von der Ukraine genutzt werden. Sehr häufig ist zu sehen, dass die Türme durch die Explosion der Munition abgesprengt wurden. Bei einem zukünftigen Kampfpanzer sollten wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Reduzierung der Verwundbarkeit legen. Treibstoff und Munition müssen konsequent getrennt werden, Blow-off-Panels müssen dafür sorgen, dass bei Explosion der Munition der Druck aus dem Fahrzeuginneren abgeleitet wird.
Ziehen Sie darüber hinaus Schlussfolgerungen aus dem Ukrainekrieg?
Bei den Kampfpanzern verfügen beide Seiten über fast identische Modelle. Aber die technische Leistungsfähigkeit eines Panzers trägt nur die Hälfte zu seinem Kampfwert bei, die Qualität der Besatzung macht die andere Hälfte aus. Dazu zählen u. a. Ausbildungsstand und Motivation. Sie entscheiden darüber, wie schnell ein Gegner bekämpft wird. Und hier ist die Ukraine weit vorne.
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