Erfindung der Haftnotizzettel 09. Mrz 2023 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 4 Minuten

Klein, gelb, klebrig: Als bei 3M die Post-its geboren wurden

Die Entwicklung eines lösbaren Klebstoffs beim Chemieunternehmen 3M war für Spencer Silver und Arthur Fry der Schlüssel zur Erfindung von Post-it-Notizzetteln vor 43 Jahren.

Arthur Fry ist einer der beiden Erfinder der kleinen gelben Zetttelchen. Kollege Spencer Silver entwickelte den Klebstoff, Fry selbst hatte dann die Idee für eine Anwendung.
Foto: 3M

(Dieser Artikel erschien erstmals in Ausgabe 10/2020 der VDI nachrichten)

Eigentlich war es reiner Zufall, dass aus einem anfangs missglückten Experiment schließlich doch noch ein Erfolgsprodukt wurde. Es war im Jahr 1968, als der Wissenschaftler Spencer Silver von seinem Chef den Auftrag erhielt, einen Klebstoff zu entwickeln. Dessen Klebkraft sollte stärker sein als alles, was es bis dahin auf dem Markt zu kaufen gab. Zudem sollte der neue Kleber auf praktisch allen gängigen Materialien anwendbar sein.

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Der Chemiker der Minnesota Mining and Manufacturing Company – besser bekannt als 3M – stand also im Zentrallabor des Unternehmens in St. Paul, Minnesota, und rührte emsig in seinen Töpfchen und Tiegelchen. Doch was er auch versuchte, heraus kam lediglich eine klebrige Masse, die überhaupt nicht stärker und vielseitiger war als die Konkurrenz – und auch nicht dauerhaft auf den Oberflächen anhaftete.

Bei der Erfindung der Post-its entdeckte Spencer Silver die Mikrosphären

Im Gegenteil: Fügte man mit der Substanz zwei Materialien zusammen, konnte man sie später ganz einfach wieder auseinandernehmen. Damit hatte Silver allerdings nebenbei das Phänomen der sogenannten Mikrosphären gefunden. Denn aufgrund seiner ungewöhnlichen Molekularstruktur behält der Klebstoff seine Hafteigenschaft, ist aber gleichzeitig schwach genug, um sich leicht und vollständig wieder lösen zu lassen.

Trotzdem war das Ganze natürlich ein Flop. Zumindest für Silver. Er hatte die Anforderungen seines Auftraggebers schließlich nicht erfüllt. Später kommentierte er das folgendermaßen: „Damals ging es uns darum, wirkungsvollere, stärkere und kräftigere Klebstoffe zu entwickeln. Diese neue Entdeckung entsprach den Vorgaben überhaupt nicht.“

Vorsichtshalber wurde der Klebstoff am 9. März 1970 aber trotzdem patentiert. Und selbstverständlich ließ der Chemiker Silver nichts unversucht, um vielleicht doch noch eine Verwendungsmöglichkeit für seinen soften Kleber zu finden. Fortdauernd nervte er auch seine Kollegen damit, was ihm schließlich den Spitznamen „Mr. Persistent“ einbrachte.

Viele Jahre gingen ins Land, da endlich hatte einer seiner Kollegen den entscheidenden Geistesblitz. Arthur Fry, ebenfalls Forscher bei 3M, sang am Wochenende gerne im Kirchenchor. Während der Proben legte er immer kleine Papierstreifen als Lesezeichen ins Gesangbuch, um die Lieder während des Gottesdienstes schneller zu finden. Aber leider fielen diese Zettelchen beim Öffnen des Buches häufig wieder heraus.

Der Siegeszug der Post-its begann im Gottesdienst

Es soll also eines Sonntags im Jahr 1974 gewesen sein, als sich der entnervte Fry während des Gottesdienstes in seiner presbyterianischen Gemeinde im Norden von St. Paul plötzlich daran erinnerte, was er zuvor in einem Seminar über die Erfindung seines Kollegen Spencer gehört hatte. Umgehend begann Fry, der Chemietechnik studiert hatte, mit dem lange verpönten Klebstoff zu experimentieren. Er trug ihn auf seine Zettelchen auf und erprobte sie gleich an seinem Gesangbuch während des nächsten Choreinsatzes in der Kirche.

Die ersten Post-its dienten als Lesezeichen im Gesangbuch, um die Lieder während des Gottesdienstes schneller zu finden. Heute sind sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Foto: 3M

Vom Ergebnis war Fry schlicht begeistert. Die Lesezeichen hafteten zuverlässig, ließen sich später aber dennoch wie gewünscht wieder abnehmen, ohne das Papier zu beschädigen. Anfangs war der Kleber zwar noch nicht perfekt, weil sich ein paar Reste dann doch nicht vollständig lösten, der Grundstein für eine Entwicklung der besonderen Art aber war gelegt.

Gemeinsam mit Spencer Silver startete er die Entwicklung eines völlig neuen Produkts. Schnell machten die kleinen Klebezettel unter den Kollegen die Runde. Sie hefteten sich damit gegenseitig kurze Nachrichten auf Schreibtisch, Tagungsberichte oder Telefon. „Da wurde mir klar, dass es sich nicht nur um ein einfaches Lesezeichen handelt“, erzählt Fry, „sondern um ein neues Kommunikationsmedium.“

Arthur Fry baute den Prototypen einer Produktionsanlage für Post-its

Als nächstes wollte der pfiffige Wissenschaftler herausfinden, wie sich der Klebstoff technisch verarbeiten ließe. Dafür baute er kurzerhand bei sich zuhause den Prototyp einer Anlage. Mit ihr experimentierte er lange, wie sich der Kleber auf Papierrollen auftragen und das Papier anschließend in Blöcke schneiden ließe. Schließlich gelang es.

3M entschloss sich daraufhin, die Erfindung in seine Produktpalette aufzunehmen – wohl aber nicht, eine eigene Maschine zu bauen. Jedenfalls wird erzählt, dass beim Versuch, die Anlage aus Frys Keller in dessen Firmenlabor zu bringen, das Unternehmen sogar eine Kellerwand niederreißen musste.

Am 6. April 1980 schließlich kamen die Haftzettel als „Post-it“ auf den US-Markt, ein Jahr später waren sie bereits in Deutschland zu haben. „Die Haftnotizen verbreiteten sich viral“, erinnert sich Fry. Tatsächlich gibt es seither kaum ein Büro, in dem die blassgelben Klebezettel nicht zu finden sind. Einer Arbeitsplatzstudie zufolge erhalten Mitarbeiter jeden Tag durchschnittlich elf Mitteilungen auf solchen Zettelchen.

Post-its zieren Büros und Küchen

Sie kleben auf Unterlagen, an Bürotüren und zuhause am Kühlschrank. Und sie regen die Fantasie und Kreativität an. Künstler gestalten damit riesige mosaikartige Bilder an Wänden und Fensterscheiben, Jugendliche peppen damit ihre „bullet journals“ auf, sie tauchen als gestalterisches Element in vielen Filmen und Büchern auf. „Diese schlagartige Verbreitung des Produkts in alle Lebensbereiche übertrifft alle meine Erwartungen“, kommentierte Spencer Silver einmal die Beliebtheit seiner Erfindung.

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Mittlerweile sind die kleinen gelben Zettel in allen möglichen Formaten und in vielen Pastell- und Leuchtfarben erhältlich, die in Blockform gehandelt werden. Nach Angaben von 3M gibt es über 4000 Post-it-Produkte. Sie werden in über 150 Ländern verkauft. Schätzungen zufolge ist es ein dreistelliger Millionenmarkt, den das Unternehmen letztlich einem genialen Flop und der Hartnäckigkeit zweier Wissenschaftler zu verdanken hat.

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