Alliierte Landung in der Normandie 06. Jun 2023 Von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 4 Minuten

Als Hobart‘s Funnies am D-Day eine Bresche in den Atlantikwall schlugen

Dass die alliierte Landung in der Normandie gelang, lag wesentlich an den britischen Spezialpanzern und ihrem Erfinder Percy Hobart.

Ein Churchill-Panzer mit einem Aufbau, der einen Teppich aus Leinwand über den weichen Sandboden legen konnte. Er verhinderte, dass schwere Fahrzeuge einsanken. Dieser Churchill Boppin ist nur ein Beispiel für die Spezialpanzer, die bei der Landung in der Normandie im Einsatz waren.
Foto: Public Domain

(Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 23/2019 von VDI nachrichten.)

Herausquellende Eingeweide, abgerissene Gliedmaßen, eine blutgetränkte Brandung – die ersten 15 Minuten von „Der Soldat James Ryan“ geben einen unvergesslichen Eindruck von den Schrecken der alliierten Landung in der Normandie. Dass Briten und Kanadier nicht so viele Tote und Verwundete zu beklagen hatten wie die US-Amerikaner am Omaha Beach, wo die Filmszenen spielen, ist besonders einem Mann zu verdanken: Der Brite Percy Hobart entwickelte mit seinem Team eine ganze Armada von Spezialfahrzeugen, mit denen die alliierten Soldaten gefahrloser den Strand überwinden konnten.

Percy Hobart entwickelte das Konzept des Bewegungskriegs mit Panzern

Im Jahr 1885 geboren, begann Hobart seine militärische Laufbahn bei den Königlichen Pionieren. Nach dem Ersten Weltkrieg wechselte Hobart zur Panzertruppe, zu deren Inspekteur er 1934 ernannt wurde. Dort entwickelte er das Konzept des Bewegungskrieges, in dem schnelle Panzerverbände die feindlichen Linien durchbrechen und so den Gegner handlungsunfähig machen. Eifrige Leser seiner Schriften waren Offiziere der Wehrmacht, die in Hobart den Vordenker ihrer Blitzkriegstrategie erkannten.

Mit Bomben aus Ballons griff Japan die USA an

Weniger Ansehen genoss Hobart bei seinen Offizierskameraden, die seinen Jähzorn und seine Ruppigkeit fürchteten. „Er konnte Idioten nur schwer ertragen“, schreibt der Historiker Jon Diamond über Hobart. „Jene, die nicht so schnell denken konnten wie er, beachtete er so wenig wie möglich, unabhängig von ihrem Rang, und er kümmerte sich wenig um den höflichen Umgangston im Offizierskasino.“

Großbritannien schickte seinen wichtigsten Panzerexperten in den Ruhestand

Sozialen Selbstmord beging Hobart, als er ein Verhältnis mit der Ehefrau eines Offizierskameraden einging und sie wenige Monate nach ihrer Scheidung heiratete. So kam es, dass Großbritanniens Generäle ihren wichtigsten Panzerexperten im Jahr 1940 in den Ruhestand schickten, kurz bevor die Wehrmacht Westeuropa überrannte.

Dass Hobarts Karriere nicht damit endete, dass er als Hauptgefreiter der Miliz seinen Heimatort gegen die deutsche Invasion rüstete, hatte er dem Militärschriftsteller Basil Liddell Hart zu verdanken. Der erwähnte Hobart in einem Zeitungsartikel über „verschwendete Intelligenz“ in Zeiten höchster Not.

Percy Hobart war für seinen Jähzorn und seine Ruppigkeit gefürchtet. Doch er war auch der ideale Mann für ungewöhnliche Lösungen, wie sie die Landung in der Normandie verlangte. Foto: Public Domain

Premierminister Winston S. Churchill, tief beunruhigt über den Zustand der britischen Panzertruppe, wies Generalstabschef John Dill an, diesen wieder in den aktiven Dienst zu stellen. In einem Schreiben las Churchill den Generälen die Leviten: „Wir kämpfen um unser Überleben. Da können wir es uns nicht leisten, Kommandoposten nur jenen zu übertragen, die nie in ihrer Karriere einen feindseligen Kommentar verursacht haben.“ Weniger pathetisch drückte sich Churchill gegenüber einem Vertrauten aus: „Es sind nicht nur die guten Jungs, die dafür sorgen, dass der Krieg gewonnen wird. Es sind genauso die Schleimer und Widerlinge.“

Minen, Stahlsperren und Stacheldraht schützten den Atlantikwall

Hobarts große Stunde schlug, als die Invasion des Kontinents anstand. Sollte sie gelingen, musste an den Stränden das tief gestaffelte Verteidigungssystem des Atlantikwalls überwunden werden. Es begann mit in das Watt eingelassenen massiven Eisenkonstruktionen, sogenannten belgischen Gittern, setzte sich fort mit an Baumstämmen befestigten Panzerabwehrminen, den nächsten stählernen Sperren, gefolgt von Strandmauer, Stacheldrahtverhauen, Minen und Bunkern.

Generalmajor Hobart erhielt im März 1943 den Befehl, seine 79. Panzerdivision so umzurüsten, dass ihre Geräte die Strandbefestigungen überwinden konnten. Hobart „verwandelte seine Division in eine Denkfabrik für die Panzerwaffe“, beschreibt der Historiker Patrick Delaforce. Für die streng hierarchisch funktionierende britische Armee völlig außergewöhnlich, gab Hobart den Befehl, dass sich jeder Soldat mit einem Verbesserungsvorschlag direkt an ihn wenden sollte. Auch aus dem strikten Silodenken der Waffengattungen brach er aus. Dank seiner engen Zusammenarbeit mit der Marine rollten die Ungetüme bei Übungen im Abstand von 15 s von den Landungsschiffen.

Zwei Churchill-Panzer aus dem Bestand von Hobart’s Funnies. Der rechte hat eine Schnellbrücke zum Überwinden von Mauern und Gräben vorgespannt, der linke ist ein Flammenwerferpanzer. Foto: US Army/public domain

Das Arsenal der 79. Panzerdivision wurde als „Hobart‘s Funnies“ legendär. Dazu gehörten Minenräumpanzer, die mit rotierenden Ketten auf den Sand einhieben, um Minen zur Explosion zu bringen. Kampfpanzer wurden in Leinwandgestelle gesteckt, mit denen sie schwimmend die Strände erreichen und den anlandenden Truppen Feuerschutz geben konnten. Um festsitzende Landungsboote zurück ins Meer schieben zu können, entfernte Hobarts Team die Türme von Sherman-Panzern und ersetzte sie durch einen wasserdichten Aufbau. So konnten die „Sherman BARV“ genannten Fahrzeuge in einer Wassertiefe von fast 3 m operieren.

Der Churchill war der wichtigste Panzer beim Sturm auf den Atlantikwall

Häufigste Plattform für Umbauten war der Churchill-Panzer. Er war robust und geräumig, ältere Modelle waren genügend verfügbar. In der Version „AVRE“ verschoss sein Mörser eine 18 kg schwere Sprenggranate mit verheerender Wirkung auf Bunker. Vor dem Turm konnte ein Bündel Holzstangen mit einem Durchmesser von 2,4 m aufgeladen werden. Diese sogenannten Faschinen wurden zum Füllen von Panzergräben benutzt. Andere Varianten hatten eine 9 m lange Brücke vorgespannt, um damit bis zu 3 m hohe Mauern zu erklimmen.

Ein Sherman BARV zieht einen Sattelschlepper über den nassen Sandstrand. Die mehr als 3 m hohen Ungetüme waren gebaut worden, um gestrandete Landungsboote in das Meer zurückzuschieben. Foto: Sgt. Morris , No 5 Army Film & Photographic Unit, Public Domain

Als in einer der geplanten Landungszonen blaue Tonerde im Sand gefunden wurde, die den Strand für Panzer unpassierbar machte, war Hobarts Mannschaft besonders gefordert. In nur 36 Stunden errichtete sie an einem Strand in Norfolk mit ähnlicher Beschaffenheit eine Versuchsstation. Das Ergebnis war eine Churchill-Variante, die im Fahren einen 3 m breiten Leinwandteppich auslegte.

Am Strandabschnitt Omaha verloren die USA viele Soldaten

Der entscheidende Moment kam in den Morgenstunden des 6. Juni 1944, als Hobart‘s Funnies die Breschen in den Atlantikwall schlugen. Die Briten konnten etwa im Abschnitt Sword im Laufe des Tages 29 0000 Mann landen und hatten mit 630 Toten und Verwundeten weit weniger Verluste zu beklagen als befürchtet.

Ein Churchill-Pionierpanzer mit einer riesigen Faschine vor dem Turm. Die Faschinen bestanden aus Astbündeln, die in Gräben geworfen wurden, damit Panzer sie überwinden konnten. Foto: Public domain

Die Kanadier, die bei Juno die zweitheftigsten Kämpfe an der Normandieküste nach Omaha auszutragen hatten, verloren 1200 Mann – nur die Hälfte von dem, was die Amerikaner in ihrem Abschnitt zu erleiden hatten. Es rächte sich nun, dass die US-Armee abgelehnt hatte, Geräte von Hobart zu übernehmen. Möglicherweise geschah dies, weil sie mit ähnlichen Entwicklungen gescheitert waren.

Historiker entzaubert den Mythos der Reichsflugscheiben

Hobarts endgültige Resozialisierung im Offizierskorps kam am 26. März 1945, als er Winston Churchill und die Feldmarschälle Alan Brooke und Bernard Montgomery bei der Rheinüberquerung im Schwimmpanzer begleiten durfte. Hobart starb im Jahr 1957. In der Normandie erinnert noch ein einsamer Churchill AVRE neben der Küstenstraße bei Lion-sur-Mer an die Bedeutung von Hobart‘s Funnies bei der Befreiung des Kontinents.

Ein Churchill-Panzer mit einem Aufbau, der einen Teppich aus Leinwand über den weichen Sandboden legen konnte. Er verhinderte, dass schwere Fahrzeuge einsanken. Dieser Churchill Boppin ist nur ein Beispiel für die Spezialpanzer, die bei der Landung in der Normandie im Einsatz waren. Foto: Public Domain

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